
Liebe Leserinnen und Leser,
der Monatsspruch für März hat es in sich. Er stammt aus dem dritten Buch Mose und ist über 2000 Jahre alt und doch hoch aktuell:
Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken.
Levitikus 19,33
Beim Lesen dieses Verses habe ich zwei Herzen in mir: Das eine stimmt diesem Gebot Gottes, vorbehaltlos zu. Das andere hingegen äußert ein leises, aber präsentes „Ja, aber“. Dieses „ja, aber“ ist angstgeprägt: Angst vor der Überforderung: Wie sollen wir noch mehr Menschen integrieren, wenn es jetzt schon teilweise schwierig ist? Da ist die Sorge um gefühlt knappe Ressourcen wie Arzttermine und auch vor der Fremdheit der anderen Kulturen. Und Angst um das eigene Wohl, getriggert durch Berichterstattungen, die in Teilen nahezulegen scheinen, dass jeder männliche Geflüchtete mit dunkler Hautfarbe ein potenzielles Risiko für die eigene Sicherheit darstellt.
Wie mit diesen zwei Herzen umgehen? Wie sie in Einklang bekommen? Ich bin davon überzeugt, dass wir jeden Tag aufs Neue eine Wahl haben, wie wir handeln und damit definieren, wer wir sein wollen. In diesem Fall habe ich die Wahl zwischen der Angst und dem Gebot Gottes. Das klingt nach einer klaren und einfachen Wahl auf dem Papier, in der Praxis ist sie das nicht. Sie fordert einiges von mir, von uns: Vertrauen, das Erkennen und Benennen von unseren eigenenVorurteilen und Offenheit. Taten Einzelner, die uns in den letzten Wochen und Monaten erschüttert haben, machen es nicht leichter, den zu uns geflüchteten Menschen auf Augenhöhe und mit dem gebührenden Respekt zu begegnen. Und doch steht dieses Gebot Gottes über allem:
Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken.
Und weiter:
Ihr sollt ihn behandeln wie einen von euch und ihn lieben wie euch selbst, denn auch ihr seid Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der HERR, euer Gott.
Die Ergänzung des Gebots kann eine Hilfe sein, die zwei Herzen in Einklang zu bekommen: Ich kenne das Gefühl, fremd zu sein. Nicht nur durch meine längeren Auslandsaufenthalte. Wir sind fremd, sobald wir uns in neue Situationen begeben, sei es beruflich oder privat. Ich kenne das Gefühl, wie gut es ist, in einer solchen Situation die Hand gereicht zu bekommen. Wir Menschen sind empathiebegabt. Das ist unser Anker. Und der kann uns helfen, nicht die Angst, sondern das Gebot zu wählen.
Eine leise Sorge bleibt trotzdem in mir. Aber ich versuche, sie nicht über mein Denken und Handeln bestimmen zu lassen. Dazu helfe mir und uns Gott.
Es grüßt Sie und Euch herzlich
Ihre Iris Weiner