„Bis hieher hat mich Gott gebracht
durch seine große Güte“
Bis hieher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte “ – so die Inschrift an dem alten Haus Bardowicker Straße 16. Sie fiel mir erst auf, als das Haus abgerissen wurde. Das Haus stand verlassen. Die Bewohner sind umgezogen.
Aber der Liedvers war noch da: „Bis hieher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte.“ Das wirkte skurril, kurios, traurig. Für manche zum Lachen mit Beigeschmack. Aber damals, als der Spruch frisch an das stattliche Haus angeschrieben wurde, war das anders. Da klang aus den Worten Dankbarkeit und vielleicht auch ein frommer Stolz: „Schaut her, dieses Haus, mein Haus: „bis hieher hat mich Gott gebracht.“ Viele Menschen haben nach und nach in dem Haus gelebt. Es stand mitten im Ort, schräg gegenüber vom Marktplatz. Es prägte mit das Ortsbild. Nun ist es weg.
Wieder eine Veränderung. So manches Charakterhaus in Scharnebeck und in anderen Dörfern fällt in diesen Jahren. Alte Höfe, Gasthäuser, ehemalige Tagelöhnerhäuser. Das tut weh. Das ist ein Abschied. Da geht ein Stück der eigenen Geschichte mit. Die Erinnerungen bleiben.
Mich erinnert der Abbruch an die eigene Endlichkeit, an die Baustellen im eigenen Körper. Sie sind irgendwann nicht mehr zu reparieren. Dann wird auch mein „Haus“ abgebrochen. Wie gut, wenn man dann dankbar zurückblicken kann: „bis hieher hat mich Gott gebracht“. Wenn man die Zeit bekommt, sein Haus zu bestellen. Frieden schließen. Sein Testament machen, damit nachher nicht der große Streit ausbricht. Die Hand reichen. Und den Blick nach vorne richten.
In dem Lied wendet sich der Dichter in der letzten Strophe an Gott: „Hilf fernerweit, mein treuster Hort, hilf mir zu allen Stunden.“ (EG 329) Das Haus in der Bardowicker Straße ist nun abgebaggert.
Der „treue Hort“ bleibt. Und: Auf dem Gelände werden 13 moderne Mietwohnungen gebaut. Ohne Liedbalken. Aber die künftigen Mieter werden sich freuen. Auch eine bezahlbare Wohnung ist eine gute Gabe Gottes.
Johannes Link